Der geologische Fingerabdruck des Thayatals

Im Thayatal tritt die geologische Geschichte vielerorts offen zutage.
Was das Thayatal mit einem bayerischen Volksstamm gemeinsam hat? Zugegeben, nicht allzu viel. Aber zumindest so viel: Der grenzüberschreitende Nationalpark Thayatal liegt am Südostrand der Böhmischen Masse, einem stark erodierten Rest des vor 350 bis 310 Millionen Jahren gebildeten Variszischen Gebirges. Und das hat seinem Namen von den Varisziern, einem alten bayerischen Stamm.
Man möchte ja annehmen, dass die geologische Geschichte eines Ortes am besten wie eine Zwiebel zu lesen sei, Schicht für Schicht. Aber das Vertrackte an der Geologie ist, dass über die Jahrtausende und Jahrmillionen Schichten immer wieder ihren Platz wechseln, mal sind sie oben, mal unten, werden überlagert, verwittern und brechen oder werden durch Druck und Hitze wieder zusammengeschweißt und gar zu einem anderen Gestein metamorphisiert. Was herauskommt, ist ein Sammelsurium an unterschiedlichen Gesteinen, die jedem Ort seinen ureigensten Fingerabdruck verleihen.
Mancherorts treten die Gesteinsschichten, die einen Ort prägen, gut sichtbar hervor. Das tief eingeschnittene Thayatal ist einer dieser Orte, der einen einmaligen Einblick in seine Geologie gewährt.



Wir starten im Osten, im Bereich des Weinbergs Šobes. Dort hat sich gleich ein "Querschläger" eingenistet und zwar gut ein paar Jährchen vor der Variszischen Gebirgsbildung. Der Thaya-Granit auch bekannt als Thaya-Batholith, stammt noch aus der Cadomischen Gebirgsbildung vor stolzen 570 bis 600 Millionen Jahren.
Die Thaya hat hier keine Probleme den Granit zu durchbrechen. "Gut", denkt man sich, "sie hatte ja ein paar 100 Millionen Jahre Zeit". Nun, ganz so viel war es nicht, denn die Bildung des heutigen mäandrierenden Flusses begann vermutlich "erst" vor 5 bis 1,5 Millionen Jahren. Zeit ist freilich ein Faktor beim steten Aushöhlen eines Steines, aber die Beschaffenheit des Steines hat da noch ein gewaltiges Wörtchen mitzureden.
Mit der nach Westen - etwa im Kajabach-Tal - angrenzenden Therasburg-Formation, die vor allem aus Glimmerschiefern und Quarziten besteht, hatte die Thaya auch keine größeren Probleme. Erst der Weitersfelder Stängelgneis stellte den Fluss vor eine bislang ungelöste Herausforderung. Diesen extrem harten und verwitterungsresistenten Granitgneis konnte die Thaya - im Bereich des Überstiegs - nicht sofort knacken. Erst im Bereich des Rabenfelsens gelang der Durchbruch. Zum Glück für uns, denn dadurch entstand das Wahrzeichen des Nationalparks, der Umlaufberg.



Mit den folgenden Gesteinsschichten, zwischen Umlaufberg und der Stadt Hardegg, tut sich die Thaya wieder ein wenig leichter. Die sogenannte Pernegg-Formation enthält zwar so gut wie keine Quarzite (im Vergleich zur Therasburg-Formation), dafür aber jede Menge Marmor und Kalksilikatgneise. Besonders hart und zäh ist der Fugnitzer Kalksilikatschiefer, aus dem etwa der Reginafelsen und der Burgfelsen in Hardegg bestehen.



Und ganz im Westen bekommt es die Thaya wieder Gneisen zu tun, diesmal mit dem Bitteschen Gneis. Das Maxplateau, der Schwalbenfelsen und Teile des Fugnitztales werden von diesem plattig brechenden Granitgneis gebildet. Auch er hat schon viele Milliönchen Jahre auf dem Buckel und wird ähnlich alt geschätzt wie der Thaya-Granit. Die beiden sind es auch, die in erster Linie verantwortlich sind für die losen Blocksteine, die im Thayatal ganze Hänge bilden und oft üppig von Moosen überwachsen sind.
Tipp:
Eine geologische Karte vom Nationalpark Thayatal kann man im Nationalparkzentrum selbst erstehen oder auch über den online Shop bestellen.

Und wer es ganz genau wissen will, hier der Link zur detaillierten geologischen Zusammenfassung von Reinhard Roetzel von der Geologischen Bundesanstalt.
16.11.2015

Nationalpark Thayatal Blog