Zum Erfolg geschwindelt

Weit reißt der "kleine" Kuckuck seinen Schnabel auf. Der große, rot leuchtende Rachen steigert den Fütterungstrieb seiner Adoptiveltern.
Nicht immer ist es leicht, Vogelgesang eindeutig zuzuordnen. Aber wenn das zweisilbige "Gu-Ko" aus dem Nationalparkwald erschallt, weiß jeder, wer hier sein Revier abgrenzt. Der Kuckuck. Aus dem tropischen Afrika - wo er die Wintermonate verbringt - kommt der taubengroße Vogel jedes Jahr zum Brüten in unsere Breiten, auch in den Nationalpark Thayatal.
Wobei "brüten" ist vielleicht nicht die richtige Bezeichnung für das, was die Kuckucke tun. Denn in der Tat brüten sie selber gar nicht. Das übernehmen andere, Rohrsänger, Grasmücken, Rotschwänze, Pieper, Bachstelzen oder Braunellen. Brutparasitismus nennt sich diese Arbeitsverweigerung. Das Kuckuck Weibchen legt seine Eier einzeln in die Nester kleinerer Singvögel und damit endet die Betreuung auch schon.
Aber geht das so einfach? Ei rein und weg bin ich?
Ja und nein. Denn, damit der Schwindel nicht gleich auffällt, haben die Vögel im Vorfeld einiges an Aufwand betrieben bzw. die Evolution hat hier kräftig gewerkt. Die Kuckuckseier sind in Farbe und Muster nämlich so sehr an die Eier der Adoptiveltern angepasst, dass sie sich von diesen kaum unterscheiden. Nur ein wenig größer fallen die Kuckuckseier aus, aber das scheint viele Ersatzeltern nicht zu stören.
Fragt sich nur, wie sich das mit der Eifarbe hinbiegen lässt? - Einen Malkasten haben die Kuckucke für gewöhnlich nicht dabei. Des Rätsels Lösung liegt in den Genen der Männchen. Die Männchen sind auf bestimmte Wirtsvögel festgelegt (auch wenn diese nicht danach gefragt wurden) und abhängig davon, mit welchem Männchen sich ein Weibchen paart, legt es unterschiedliche Eier. Blaue Eier, wenn die Zieheltern Gartenrotschwänze sind, braun-gefleckt, weiße Eier wenn es sich um Gartengrasmücken handelt oder auch kunstvolle Goldammer-Imitat-Eier: weiß, grau, bräunliche Eier mit teils zarten, teils kräftigen Linien in Schwarz, Dunkelbraun oder Violettgrau.
Die Prägung auf die Zieheltern findet noch im Nest statt. Der Jung-Kuckuck wird später, um seinen eigenen Nachwuchs großziehen zu lassen, die Gelege der gleichen Vogelart aufsuchen, die ihn einst selbst durchgefüttert hat.
Eine praktische Einrichtung für die Kuckucke, aber auf Seiten der zum Handkuss kommenden Ersatzeltern alles andere als eine Win-Win-Situation. Es beginnt damit, dass bereits das Weibchen bei der Eiablage ein, zwei Eier der Zieheltern auf dem Gewissen hat. Die Eier werden aus dem Nest geworfen oder gefressen, um Platz für den eigenen Sprössling zu schaffen. Und sobald der Jung-Kuckuck aus dem Ei schlüpft - nach einer kurzen Brutzeit von rund 12 Tagen und meist vor den Jungen seiner Adoptiveltern - wirft auch er seine Konkurrenten, egal ob im Ei oder schon geschlüpft, aus dem Nest. Solange bis er alleine zurückbleibt.
Damit er trotzdem die Futterration bekommt, die einem ganzen Nest voller Küken zustünde, bedient er sich einiger Tricks. Zunächst wäre da mal sein riesiger, roter Rachen, der viel größer ist als jener des hauseigenen Nachwuchses und einen starken Füttertungstrieb bei seinen Wirtseltern auslöst. Zusätzlich imitiert der Vielfraß durch schnelle Rufe und vielstimmigen Gesang seine fehlenden Geschwister, was den Fütterungsdrang der Eltern weiter verstärkt, die bemüht sind, ihre hungrige Kinderschar zufriedenzustellen. Dabei besteht die Schar nur aus einem einzigen, dafür sehr großen Kind.



Doch nicht alle Wirtsvögel fallen auf den Schwindel herein. Bemerken sie ein ungewöhnliches Ei, entfernen sie das Ei aus dem Gelege oder geben die Brut sogar auf.
Oft genug aber, bleibt die List unerkannt. Weltweit gibt es eine ganze Menge Kuckucke, gefährdet sind sie einstweilen nicht. Aber ihr praktizierter Brutparasitismus macht sie abhängig von den Wirtsvogelarten. Wo diese weniger werden, werden auch die Kuckucke weniger. In der Natur ist eben alles miteinander verbunden, wenn auch manchmal auf eigenwillige Weise.
16.04.2014

Nationalpark Thayatal Blog