Tot, aber voller Leben

Unordentlich? - Nein. Vielfältig!
"Bei Euch schaut's aber schon unaufgeräumt aus, findet Ihr nicht?" - Nein, finden wir nicht! Denn, was scheinbar "unordentlich" aussieht, ist einfach das freie Walten der Natur. Und der Zerfall ist ein ganz natürlicher Teil davon, ja er ist sogar überlebenswichtig!
Absterbende Bäume werden unter dem Begriff Totholz zusammengefasst. Dabei müsste es viel eher "Lebendholz" heißen, denn obwohl diese Bäume nicht mehr wachsen und gedeihen, sind sie nach wie vor voller Leben. In der Tat, tut sich in und auf ihnen sogar mehr als zu ihren "aktiven Zeiten".



Kreuz und quer liegende Baumstrünke, Ästewirrwarr, tote stehende Baumgerippe. - Wozu sind sie gut?
Sie schaffen Ecken und Nischen, in denen sich Tiere kurzfristig verstecken können oder dauerhafte Behausungen einrichten. Eidechsen, Mäuse, Reptilien und Amphibien ziehen sich gerne in liegendes Totholz zurück. Ein besonderer Langzeitgast ist der Hirschkäfer. Seine Larve braucht bis zu sieben Jahre, um sich im toten Eichenholz zum fertigen Käfer zu entwickeln.



Sie schaffen aber auch einen reich gedeckten Tisch, der an der Basis aus Pflanzen, Pilzen, wirbellosen Tieren und einer Vielzahl an Insekten besteht. Dieses breite Nahrungsangebot lockt weitere Tiere in das "All-Inclusive" Hotel Totholz.
Sie schaffen Sitzwarten, von denen Greifvögel gerne den Waldboden nach Beutetieren überblicken.
Und sie schaffen auch neue Brutplätze. Während sich Amseln, Zaunkönig oder Nachtigall im herumliegenden Totholz tummeln, sind viele Vögel auf Bruthöhlen in stehenden Alt- und Totholzbäumen angewiesen. Interessanterweise können aber nur die wenigsten selber eine Höhle anlegen, obwohl es sich bei gut einem Drittel der Vögel im Wald um Höhlenbrüter handelt. Was also tun? - Abhilfe kommt in Form der Spechte, wahre Totholzspezialisten.
Aus dem Totholz beziehen sie einerseits ihre Nahrung, saftige Insekten und deren Larven wie Ameisen oder Käferlarven, andererseits zimmern sie sich daraus ihre Bruthöhlen. Nicht mehr genutzte Spechthöhlen finden in der Folge reißenden Absatz bei Eulen wie dem Raufußkauz oder dem Waldkauz, bei Meisen, aber auch bei Säugetieren wie Fledermäusen und Siebenschläfern oder Insekten wie Wildbienen oder Wespen. Die Liste der Specht-Profiteure ist lang.
Aber alle hängen sie von einem gemeinsamen Nenner ab, dem Totholz.



Abseits der sichtbaren tierischen Vielfalt, erfüllt das Totholz darüber hinaus wichtige Aufgaben für das Ökosystem Wald.
Es sorgt für ein angenehm feuchtes Kleinklima, indem es beträchtliche Mengen Wasser speichert und langsam wieder an die Umgebung abgibt. Und es sorgt für ständigen Nährstoffnachschub. Saprophytische Pilze ernähren sich vom Totholz und zersetzen es sukzessive in seine Bestandteile, bis nur noch Kohlenstoff, Stickstoff und mineralische Elemente übrigbleiben. Sie warten im Waldboden darauf, von einer neuen Pflanze über die Wurzeln aufgenommen zu werden und wachsen vielleicht wieder zu einem stattlichen Baum heran. Irgendwann wird auch dieser wieder zerfallen. Keine Tragik, sondern vielmehr Grund zur Freude. Vorausgesetzt, das Totholz darf liegenbleiben!
30.04.2014

Nationalpark Thayatal Blog